USA-Menschenrechtsgruppen fordern öffentliche Untersuchung
Von Rainer Rupp
Die Zahl der von CIA-Agenten und USA-Soldaten in Irak und Afghanistan
zu Tode gefolterten Gefangenen ist weitaus höher als bisher angenommen
wurde.
Hatte der Untersuchungsbericht des Pentagon, der letzte Woche dem
Kongress vorgelegt wurde, noch von lediglich sechs Fällen gesprochen,
bei denen Gefangene in Obhut der US-Army durch »schwerwiegende Misshandlungen«
zu Tode gekommen sind, so meldete die »New York Times« gestern, dass
Kriminalermittler des Militärs inzwischen »von mindestens« 26 Fällen
von »criminal homicide«, also von Mord oder Totschlag von Gefangenen,
seit 2002 ausgehen.
In 18 der 26 Fälle haben die Ermittler die Untersuchungen bereits
abgeschlossen und zur Strafverfolgung empfohlen, während in den anderen
acht Fällen die Ermittlungen wegen des starken Verdachts auf ein Kapitalverbrechen
weiter gehen. Bezeichnend für die im USA-Militär weit verbreitete
Barbarei ist die Tatsache, dass nur einer der Mordfälle im berüchtigten
Abu-Ghoreib-Gefängnis bei Bagdad begangen wurde. Auch die »New York
Times« hält fest, dass dies »den ersten Eindrücken widerspricht, dass
die Untaten lediglich von einer Hand voll USA-Militärpolizisten während
der Nachtschicht im Gefängnis (von Abu Ghoreib) begangen wurden«.
Mindestens vier der 26 Mordfälle werden Mitarbeitern der CIA zu Last
gelegt. Weil deren Fälle nicht von Militärgerichten verhandelt werden,
sondern in den Händen der zivilen Gerichtsbarkeit liegen, ergibt sich
die groteske Situation, dass die Täter der Strafverfolgung durch das
Justizministeriums unterliegen, dessen Chef die Folter bei Gefangenenverhören
öffentlich rechtfertigt und gefordert hat. Der von George W. Bush
in seiner zweiten Amtsperiode zum Justizminister ernannte Alberto
Gonzales gilt als einer der Hauptverantwortlichen für die weite Verbreitung
von Misshandlungen und Folter in den USA-Streitkräften und Sicherheitsorganen,
hatte er doch in seiner früheren Position als juristischer Chefberater
des Präsidenten im Weißen Haus in etlichen Memoranden unter anderem
die Genfer Konvention zum Schutz von Gefangenen als »kurios und überholt«
bezeichnet. US-amerikanische Menschenrechtsgruppen fordern derweil
eine öffentliche Untersuchung der Folter- und Misshandlungspraxis
des Militärs im Stil der 11.-September-Kommission. James D. Ross,
Chefrechtsberater der Menschenrechtsorganisation »Human Rights Watch«,
erklärte jetzt in New York, die jüngsten Berichte machten deutlich,
»dass die Behörden es bisher versäumt haben, die aufgetretenen Misshandlungen
ernst zu nehmen«.
(ND 17.03.05)